Umbruch beim TV 1868

Zum personellen Wechsel kommt eine strukturelle Neuausrichtung – In spätestens drei Jahre soll für Stranzinger Schluss sein.

Burghausen. Eigentlich hätte er auch kein Problem damit, noch heuer das Ruder abzugeben – gesetzt dem unwahrscheinlichen Fall, dass ihn im Verein jemand Geeignetes auf dem Posten des Vorsitzenden beerben will. Spätestens in drei Jahren aber geht es für Norbert Stranzinger nicht mehr ums “Ob”, sondern nur noch ums “Wer”. Definitiv, hundertprozentig und ohne Rückzieher sei seine Entscheidung, nach dann 18 Jahren den Vereinsvorsitz abzugeben, versichert der heute 62-Jährige. Es ist nicht der einzige Umbruch, der dem Altstadt-Sportverein ins Haus steht.

Gerade eben haben sich die alten Haudegen aus der Führungsspitze mit den potenziellen Nachfolgern zu einer dreitägigen Klausur zusammengefunden. Personelle Veränderungen galt es zu besprechen. Ebenso inhaltliche und strukturelle Neuerungen.

 

So wollen bei der noch heuer im Herbst anstehenden Jahreshauptversammlung nicht nur der stellvertretende Vorsitzende Reinhardt Knab sowie die weiteren Stützen Uli Baier und Reinald Schubert nach Jahrzehnten in der Führungsebene ihre Ämter zur Verfügung stellen, auch Jugendleiterin Petra Maier muss bekanntlich ersetzt werden. Nachfolgeaspiranten gibt es, entsprechend glücklich sind Vorsitzender Norbert Stranzinger und Geschäftsführer Robert Rogger – auch wenn sie den Wahlen nicht vorgreifen und deswegen noch keine Namen nennen wollen. Das Durchschnittsalter in der Vorstandschaft werde jedenfalls gehörig gedrückt, von aktuell Ü60 auf unter 40, sagen sie.

Weniger glücklich sind beide, was die weitere Lage im Verein angeht. Rund 500 Mitglieder haben die zurückliegenden Coronamonate den TV gekostet. Den üblichen Austritten standen mangels Sportbetrieb nicht die sonst ebenfalls üblichen Eintritte gegenüber.

Das Minus macht sich nicht nur in der Vereinskasse bemerkbar. Es löst auch einen Teufelskreislauf aus, denn nicht nur einfache Nutzer des Sportangebots sind ausgetreten, sondern auch so mancher Trainer und Helfer. Das wirkt sich aufs Angebot aus – was wiederum Mitglieder vertreibt. Gerade den Kinder- und Jugendbereich hat es zuletzt arg erwischt.

Den Kreislauf zu durchbrechen und den TV 1868 zurück auf die Wachstumsspur zu bringen, das haben sich die Teilnehmer der Klausurtagung als Ziel gesetzt. Eine verbindliche Zu-erledigen-Liste wurde dabei auf den Weg gebracht. Darüber hinaus ging es um unkonventionelles Denken. Warum nicht neue Wege gehen, zusätzlich zu Leichtathletik und den anderen bekannten TV-Sparten nicht auch mal Neues wie Schach oder Dart anbieten, so die Meinung bei der Klausur.

Ins Visier nehmen wollen die TV-Verantwortlichen auch die jungen Mütter, die “Power-Mamis”, deren Bereich bislang weitgehend brach lag. Zudem könnte künftig stärker abteilungsübergreifend zusammengearbeitet werden, so ein weiterer Vorschlag.

Den neuen Ideen liegt indes das Problem zugrunde, dass es an Trainern mangelt. Helfer für ein oder zwei Jahre zu finden, sei oft noch möglich, doch ein Verein müsse langfristig denken, nicht nur kurzfristig Trends hinterherlaufen, die dann, nach Abklingen der ersten Leidenschaft und schnellem Abgang des Trainers, wieder vor dem Aus stehen, wissen Stranzinger und Rogger.

Beide wollen das Vereinspotenzial wieder stärker nutzen und Trainer vermehrt aus den eigenen Reihen generieren. Überlegt wird etwa, die Assistenztrainer selbst auszubilden. Eine weitaus größere Umwälzung aber dürfte eine weitere im Raum stehende Idee mit sich bringen: die Anstellung eines hauptamtlichen Trainers – ähnlich wie beim SV Wacker. Nur so könnten die künftigen Anforderungen noch bewältigt werden, ist sich Stranzinger sicher. Er will mit Bürgermeister Florian Schneider Kontakt aufnehmen, schließlich sieht er den Trainerposten nur über ein Co-Sponsoring der Stadt als finanzierbar an.

Was die beiden weiteren Burghauser Sportvereine angeht, so kann sich der TV-Vorsitzende die gemeinsame Arbeit an einer “Sportstadt Burghausen” gut vorstellen – mit näheren Absprachen, wer was anbietet, damit “wir uns nicht gegenseitig die Leute wegnehmen”. Auch gleiche Mitgliedsbeiträge und gemeinsame Verordnungen sind für ihn denkbar.

Diese Punkte will Stranzinger noch in den maximal drei verbleidenden Jahren seiner Amtszeit angehen. Spätestens zur Wahl 2024 aber werde er definitiv nicht mehr antreten. Dann müssten jüngere, innovative TVler mit neuen Ideen und Ansätzen her, sagt er. Der Turnverein solle schließlich “kein Stranzinger-Verein” werden.

Vorerst aber gilt es noch, die Corona-Auswirkungen abzufedern, die “Couch-Potatoes”, wie sie Robert Rogger nennt, zurück in den Verein und zurück zum Sport zu bekommen. Die lange Abstinenz hat bei so manchem für einen Gewöhnungseffekt gesorgt. Dazu kommt, dass Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit gelitten haben und entsprechend wieder hochgefahren werden müssen. Viel zu tun also beim TV 1868 – sowohl für die “Alten” als auch für die “Neuen”.− ckl/Burghauser Anzeiger